Veröffentlicht am März 15, 2024

Entgegen der Annahme, ein Sixpack sei das Ziel, liegt die wahre Kraft des Rumpfes in der unsichtbaren Tiefenmuskulatur, die als inneres Korsett Rückenschmerzen verhindert und funktionale Stärke für den Alltag schafft.

  • Sit-ups und Crunches können durch den hohen Druck auf den Beckenboden und die Wirbelsäule mehr schaden als nutzen.
  • Ganzheitliches Core-Training aktiviert das Zusammenspiel von Bauch-, Rücken-, Beckenboden- und Zwerchfellmuskulatur.

Empfehlung: Konzentrieren Sie sich auf stabilisierende Übungen, die den Rumpf von innen nach außen kräftigen, um eine solide und schmerzfreie Basis für jede Bewegung zu schaffen.

Viele Frauen, die mit Rückenschmerzen zu mir kommen oder einfach ihre Haltung verbessern möchten, haben eine feste Vorstellung vom Bauchmuskeltraining: unzählige Sit-ups für einen flachen Bauch. Sie sind oft überrascht, wenn ich sage, dass dies nicht nur ineffektiv, sondern sogar kontraproduktiv sein kann. Das ständige Beugen der Wirbelsäule unter Last kann bestehende Probleme verschlimmern und ignoriert das, was Ihren Rumpf wirklich ausmacht.

Das Konzept der „starken Mitte“ wurde lange auf das sichtbare Sixpack reduziert. Doch die wahre Stärke, die uns im Alltag trägt, Lasten heben lässt und den Rücken schützt, liegt tiefer verborgen. Es ist ein komplexes System aus Muskeln, das wie ein inneres Stützkorsett funktioniert. Die meisten herkömmlichen Bauchübungen erreichen diese entscheidenden Strukturen kaum. Aber was wäre, wenn der Schlüssel zu einem starken, schmerzfreien Rücken und einer aufrechten Haltung nicht im oberflächlichen „Waschen“ des Bretts liegt, sondern im „Gießen“ der tiefen Wurzeln?

Genau hier setzen wir an. Dieser Artikel ist Ihr Wegweiser, um Ihren Rumpf neu zu verstehen – als Ihr zentrales Kraftwerk. Wir werden die Mythen rund um das Bauchtraining entlarven und Ihnen zeigen, wie Sie Ihre Kraft von innen nach außen aufbauen. Sie lernen, wie die einzelnen Komponenten Ihres Rumpfes, einschließlich des oft vergessenen Beckenbodens, zusammenspielen und wie Sie diese Verbindung für mehr Stabilität und Wohlbefinden nutzen. Machen Sie sich bereit, die wahre Quelle Ihrer Kraft zu entdecken.

Um Ihnen einen klaren Weg zu Ihrer starken Mitte zu weisen, haben wir diesen Artikel in übersichtliche Abschnitte gegliedert. Das folgende Inhaltsverzeichnis gibt Ihnen einen Überblick über die Themen, die wir gemeinsam erkunden werden, von den Grundlagen der Rumpfmuskulatur bis hin zu praktischen Übungen und alltagstauglichen Fitness-Ansätzen.

Die unsichtbare Stütze: Wie eine starke Rumpfmuskulatur Rückenschmerzen vorbeugt

Wenn wir von der Rumpfmuskulatur sprechen, meinen wir weit mehr als die geraden Bauchmuskeln. Stellen Sie sich ein inneres Korsett vor, das Ihre Wirbelsäule von allen Seiten umschließt und stabilisiert. Dieses Korsett besteht aus mehreren Schichten von Muskeln, die zusammenarbeiten, um den Rumpf bei jeder Bewegung zu schützen. Die tiefste Schicht bildet dabei das Fundament. Dazu gehören vor allem:

  • Der quere Bauchmuskel (Musculus transversus abdominis): Er verläuft horizontal um Ihren Bauch wie ein Gürtel und ist der Schlüssel zur Stabilisierung der Lendenwirbelsäule.
  • Die kleinen, wirbelverbindenden Muskeln (Mm. multifidi): Sie ziehen von Wirbel zu Wirbel und sorgen für segmentale Stabilität.
  • Das Zwerchfell: Als Hauptatemmuskel bildet es das Dach des Rumpfes.
  • Die Beckenbodenmuskulatur: Sie bildet den Boden und stützt die Organe von unten.

Wenn dieses System aus Tiefenmuskulatur schwach oder unausgeglichen ist, müssen oberflächliche Muskeln und passive Strukturen wie Bänder und Bandscheiben die Stabilisierungsarbeit übernehmen. Das führt zu Überlastung, Verspannungen und letztendlich zu Schmerzen, insbesondere im unteren Rücken. Ein starker Rumpf hingegen nimmt den Druck von der Wirbelsäule und sorgt dafür, dass Kräfte, die auf den Körper wirken, effizient absorbiert und verteilt werden. Die Wirksamkeit dieses Ansatzes ist wissenschaftlich belegt; so hat eine Studie der University of Waterloo gezeigt, dass gezieltes Core-Training zur Aktivierung dieser tiefen Stabilisatoren Rückenbeschwerden deutlich reduzieren kann. Es geht also nicht darum, den Bauch „hart“ zu machen, sondern ihn intelligent und funktionell zu stärken.

Core-Training für Anfänger: Fünf sichere Übungen für eine starke Mitte

Der Einstieg in das Core-Training muss nicht kompliziert oder einschüchternd sein. Das Ziel für Anfänger ist es, die Geist-Muskel-Verbindung zur tiefen Rumpfmuskulatur herzustellen und die Kontrolle über das „innere Korsett“ zu erlernen. Vergessen Sie schnelle, schwungvolle Bewegungen. Konzentrieren Sie sich stattdessen auf langsame, kontrollierte Ausführungen, bei denen die Atmung die Bewegung führt. Schon kurze, aber regelmäßige Einheiten zeigen Wirkung. Ideal sind bereits 10 bis 30 Minuten Training zwei- bis dreimal pro Woche. Beginnen Sie mit diesen fünf sicheren und effektiven Übungen, um ein solides Fundament zu legen:

  1. Beckenkippen (Pelvic Tilt): Legen Sie sich auf den Rücken, die Knie sind angestellt. Atmen Sie aus und ziehen Sie den Bauchnabel sanft zur Wirbelsäule, während Sie das Schambein Richtung Decke heben. Der untere Rücken drückt dabei leicht in den Boden. Halten und mit der Einatmung lösen.
  2. Vierfüßlerstand mit Core-Aktivierung: Kommen Sie in den Vierfüßlerstand. Halten Sie den Rücken gerade. Atmen Sie aus und ziehen Sie den Bauchnabel nach innen und oben, ohne den Rücken rund zu machen. Stellen Sie sich vor, Sie ziehen einen engen Gürtel um Ihre Taille.
  3. Bird-Dog: Aus dem Vierfüßlerstand heben Sie langsam und kontrolliert den rechten Arm und das linke Bein an, bis sie eine Linie mit dem Rumpf bilden. Halten Sie das Becken dabei absolut ruhig. Langsam zurückführen und die Seite wechseln.
  4. Käfer (Dead Bug): In Rückenlage heben Sie die Beine im 90-Grad-Winkel an. Arme zur Decke strecken. Senken Sie nun langsam den rechten Arm und das linke Bein Richtung Boden, ohne dass sich im unteren Rücken ein Hohlkreuz bildet. Zurück zur Mitte und Seite wechseln.
  5. Schulterbrücke (Glute Bridge): In Rückenlage, Füße hüftbreit aufgestellt. Spannen Sie Gesäß und Bauch an und heben Sie das Becken, bis Ihr Körper von den Schultern bis zu den Knien eine gerade Linie bildet. Oben kurz halten und Wirbel für Wirbel wieder abrollen.

Diese Übung im Vierfüßlerstand ist besonders gut geeignet, um die tiefe Bauchmuskulatur gezielt anzusteuern, ohne die Wirbelsäule zu belasten. Achten Sie auf eine präzise und bewusste Ausführung.

Nahaufnahme einer Frau im Vierfüßlerstand beim Core-Training
Geschrieben von Hannah Scholz, Hannah Scholz ist Sportwissenschaftlerin M.A. mit einer Spezialisierung auf funktionelles Training und prä- und postnatale Fitness. Seit über acht Jahren coacht sie Frauen dabei, eine starke und gesunde Beziehung zu ihrem Körper aufzubauen.